Wer meinen Reisebericht aufmerksam verfolgt hat, wird
gemerkt haben, dass die letzten zwei Wochen fehlen. Ich werde sie hier auch
nicht mehr ergänzen, denn das wäre alles andere als authentisch, da ich diese
Zeit nicht mehr als wirkliche Reise, sondern vielmehr als Urlaub empfunden
habe. Ein Urlaub, wie ihn jeder x-beliebige Peru-Tourist erleben könnte:
Sightseeing, shoppen, Lebensmittelvergiftung, Machu Picchu. Das einzige
wirklich Besondere ein Diskobesuch mit ein paar Peruanern in unserem Alter, in
deren Restaurant (La Divina Rosa in Cusco – sehr, sehr empfehlenswert!) wir
fast eine Woche lang jeden Abend gegessen haben. Und selbst diesen Moment habe
ich nicht mehr wirklich bewusst gelebt, sondern in Sehnsucht schwelgend nach
meiner bunt schillernden erkenntnisreichen Zeit in Quito.
Das Glück, das ich glaubte gefunden zu haben, rann durch
meine Finger wie der Wüstensand in Huacachina, den ich in meinen weißen
Stoffschuhen noch mit zurück nach Deutschland trug.
Die Heimkehr hatte etwas Resignierendes und Wohltuendes
zugleich. Resignierend, weil ich das Gefühl hatte, alles, was ich entdeckt
hatte, mit einem Schlag wieder verloren zu haben, ohne etwas dagegen tun zu
können. Wohltuend, weil die letzten Wochen mich sehr erschöpft hatten und ich
mich daher auf die Geborgenheit und Vertrautheit bei meinen Eltern zu Hause
freute.
Heute, fast ein Jahr nachdem ich meinen Rucksack gepackt
habe, weiß ich jedoch, dass ich überhaupt nichts verloren habe. Ganz im
Gegenteil. Fast am Anfang meiner Reise während meiner Zeit im Dschungel habe
ich einmal geschrieben, dass das Problem von uns Menschen möglicherweise sei,
dass wir uns selbst zu wichtig nehmen. Viel zu viel darüber reflektieren, was
andere in unserem Umfeld von uns halten könnten, anstatt einfach den Augenblick
mit allen Sinnen zu erleben und zu fühlen. Als ich nicht mehr alleine gereist
bin, habe ich in dem Trugschluss gelebt, dass ich eben dies nun nicht könnte,
weil Marvin dabei war, und dass ich mich deshalb unwohl fühlte. Und in der Tat
nehme ich Dinge in Anwesenheit anderer Menschen anders wahr als ohne sie (daher
ist es für mich auch immer sehr heilsam und erfüllend, mal eine Pause von allem
und jedem zu machen und mich rein auf das, was ich fühle und denke zu besinnen,
zumindest so unabhängig wie mir das möglich ist), doch das unangenehme Gefühl
war nicht etwa Ausdruck meiner durch Marvin eingeschränkten Freiheit sondern
meines eigenes Unvermögens, meine Lebensumstände entweder anzunehmen und das
Beste aus ihnen zu machen oder etwas an ihnen zu ändern.
Sobald wir die Ursachen für unsere Missgunst außerhalb
unserer selbst suchen, versetzen wir uns in eine Ohnmacht. Und diese Ohnmacht
wiederum verstärkt unsere Unzulänglichkeiten.
Ich bin davon überzeugt, dass wir weit selbstbestimmter
handeln können, als wir es für möglich halten. Manchmal mögen uns der
Mut oder die Kraft oder beides dazu fehlen. Doch je länger wir versuchen zu
lernen, unsere Gefühle zu hören,„richtig“ zu interpretieren und entsprechend zu
handeln, desto besser wird es uns gelingen.
Die letzten Monate habe ich verstärkt auf meinen Bauch
gehört und schaffe es, mit unerwarteten Wendungen und Schicksalsschlägen viel
gelassener umzugehen als noch vor einem Jahr. Zwar weiß ich, dass ich schon
rein hormontechnisch nicht ständig glücklich (im Sinne von euphorisch) sein
kann – das wäre auf Dauer auch nicht gesund! – , aber dafür bin ich zum
zufriedensten Mensch der Welt und unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung
geworden.
Meine Reise geht inzwischen in Berlin weiter, der Blog
jedoch soll an dieser Stelle erst mal enden, denn ich muss ja auch nicht alle meine verrückten Erlebnisse mit der Öffentlichkeit teilen...
Lasst uns also unsere Geschichten in unserer individuellen
Realität weiterschreiben und dabei niemals vergessen, dass jeder Tag voller neuer
Wunder steckt dank der Dinge, die völlig unerwartet und unverhofft geschehen!
Eure Linda